Mit bisher 590.000 Einsendungen an der Spitze der Schweizer Kinoparade 2022: Tom Cruise als Captain Pete „Maverick“ Mitchell in Joseph Kosinskis „Top Gun: Maverick“. „Highway to the Danger Zone“, sang Kenny Loggins (74) in diesem Frühjahr in „Top Gun: Maverick“, frei übersetzt: „Mit Vollgas in die Gefahrenzone.“ Der Titel des Songs ist bezeichnend für die hiesige Kinolandschaft: 32 Jahre nach dem Originalfilm strömen die Schweizer für die Fortsetzung in die Kinos. Es waren knapp 600.000, Platz 1 im Ranking. Abgesehen davon, dass dieser Film eines der seltenen Kassenhighlights war. Fazit, auch wenn die Ferien noch ausstehen: Nach dem Ende der Pandemie-Auflagen bleiben viele Menschen fern. Im Mainstream-Bereich gibt es gegenüber 2019 mit bisher 12,5 Millionen Eintritten ein Umsatzminus von bis zu 35 Prozent, im Kunstbereich sind es fast 40. Das bedeutet rund 2,6 Millionen Zuschauer oder bis zu 45 Millionen Franken weniger brutto Einnahmen, wie Filmverbandspräsidentin Edna Epelbaum (48) den Rückgang meldet. Hinzu kommen Einbußen bei den Werbeeinnahmen und Mindereinnahmen in der Kioskbranche. Spätestens in diesem Winter wird sich zeigen, welche Kinos den Stresstest überstehen werden. Das Kino hat immer gelitten, wenn Innovationen die Sehgewohnheiten verändert haben. Fernsehen kam in den 1950er Jahren, Videotheken in den 80er Jahren und später Raubkopien. Aber die Krise war noch nie so existenziell. Der Erfolg von „Top Gun: Maverick“ offenbart ein weiteres Problem. Die Top 25 bestehen hauptsächlich aus Fortsetzungen und Remakes. Produktionen, die oft ein größeres Publikum anziehen. Jüngere Gäste fehlen und 2022-Hoffnungsträger wie „Elvis“ wurden enttäuscht. Ein Blick auf die Schweizer Produktionen macht nicht glücklicher. Während einzelne Produktionen wie „The Golden Years“ gerade erst einen guten Start hingelegt haben – 11.000 am Eröffnungswochenende – haben andere wie „The Black Spider“ insgesamt nicht einmal die 20.000-Grenze geknackt. Und kritische Favoriten wie „Soul of a Beast“ floppten komplett.
Bewusster Optimismus über schlechte Zahlen
Niemand wagt zu glauben, dass ein Coronavirus-Ausbruch wieder zu Einschränkungen führen wird. Die Energiekrise ist sogar noch spezifischer. „Wir analysieren derzeit die Beleuchtung, auch Solarpanels sind im Gespräch“, sagt Blue Cinema-Sprecherin Olivia Willi. Es repräsentiert einen der Giganten der Multiplex-Industrie. Derzeit sind noch rund 200 Kinos angemeldet, 2019 waren es über 240. Die Zahl der Säle bleibt dank Multiplexbetrieb stabil. „Wir glauben fest an die Zukunft und hatten erst letzte Woche eine Neueröffnung in Chur. Unsere Kinos sind Unterhaltungshäuser, wir vereinen verschiedenste Angebote. Dazu gehören zusätzliche kulinarische und Unterhaltungsangebote wie Spielzonen oder Sportbars sowie Live-Sportübertragungen.“ Stephan Herzog von Pathé Suisse sagt: „Unser Glaube an das Kino ist unerschütterlich. Seit einiger Zeit arbeiten wir daran, uns noch besser an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen. Premium-Angebote und Technologien wie unser VIP-Kinoerlebnis, Imax oder 4DX sind wichtige Elemente. Es gibt auch Produkte wie Personal Ciné, die Anmietung eines ganzen Raums für Gaming, Karaoke oder eigene Filme.“ Trotz des Optimismus sind die schlechten Daten nicht wegzuerklären. Und Streaming-Dienste wachsen weiter. Während für die Kinos jeder Film erfolgreich sein sollte, zählt für sie die Zahl der Abonnements. Es spielt keine Rolle, ob einzelne Projekte scheitern. Einer der Gründe für den Erfolg des Streamings: Zu Hause haben die Menschen seit der Pandemie das Heimkino massiv zum Kinokiller aufgerüstet.
Kino nur als subventionierte Kunstform?
Die anstehenden Steuern bedeuten für Streaming-Dienste ein Kinderspiel. Das neue Kinogesetz verpflichtet sie, 4 % ihrer hier getätigten Umsätze abzugeben. Am vergangenen Mittwoch hat der Bundesrat die Vernehmlassung zu zwei Kinobeschlüssen eröffnet. Die Bestimmungen sollen 2024 in Kraft treten. Was sie für die Filmbranche bedeuten, ist unklar. Rabenschwarz sieht ihre Zukunft als jemanden, der ihnen Rekordgewinne brachte, Blockbuster-König Roland Emmerich (66). “Das Kino wird nur als subventionierte Kunstform in den großen Städten überleben”, sagt er. Aber wir erwarten kein Geld vom Staat. Bundesrat Alain Berset (50) und Carine Bachmann (55), die neue Direktorin des Bundesamtes für Kultur (BAK), machten diesen Sommer in Locarno deutlich, dass sich der Bund «nicht der Vorlage zur Erhaltung der Kultur annehmen will aktuelle Filmkulissen. Der Wandel von Produktion und Konsum, der sich am deutlichsten im Kino manifestiert, betrifft letztlich das gesamte Kulturfeld“, sagt Bachmann. Immerhin hat die BAK nun eine Studie in Auftrag gegeben, um „die Förderperspektiven für die Zukunft zu ermitteln“. Die ersten Resultate sind vielversprechend für die Solothurner Filmtage im Januar 2023. Damit geht die «Journey of Hope» weiter.