„Wir müssen aus dem aktuellen System ausbrechen“

        Michael Hanfeld
       Verantwortlicher Redakteur für die Seite Online und “Medien”.       

Das klingt, als würden Sie die Tradition überhaupt pflegen. Aber es kommt ganz anders. Denn nicht der Präsident der ARD und der Intendant des WDR sprechen, sondern Privat Tom Buhrow. Er sagt. Und natürlich weiß er, dass seine Worte alles andere als eine private Meinungsäußerung sind. „Privat“ Buhrow skizziert, wie er sich die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorstellt. Brötchen mit Lieferung. Buhrow, der Private, öffnet das Feld der deutschen Medienpolitik komplett. Insofern war es tatsächlich eine „sehr gute Idee“, wie Übersee-Club-Präsident Michael Behrendt sagt, Buhrow einzuladen. Er nutzt den Abend, um alle Gewissheiten der deutschen Medienpolitik herauszufordern und einen neuen Gesellschaftsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu fordern. Wie viele Kanäle sollen es sein? ARD und ZDF? Was ist mit den Dritten, den 64 Radiosendern, den Orchestern? Alles sollte auf dem Tisch liegen. Buhrow findet, die Gesellschaft dürfe nicht länger nur bei öffentlichen Dienstleistungen und Medienpolitik mitreden. ARD und ZDF und Deutschlandradio sollten gefragt und gefragt werden dürfen, warum es sie gibt und wie viel Programm sinnvoll ist. Buhrows Meinung nach muss die Medienpolitik aufgrund des ewigen Interessenausgleichs auf den Kopf gestellt oder überarbeitet werden. „Wir müssen weg vom bisherigen System“, sagt Buhrow. Und er meint es ernst. Buhrow fasst den Prozess, den er anstoßen will, in vier Punkten zusammen: „Zunächst müssen wir uns vom bisherigen System lösen. Zweitens brauchen wir einen runden Tisch, um einen neuen Gesellschaftsvertrag auszuarbeiten. Eine Art Redaktionstreffen für unseren neuen, gemeinnützigen Radiosender. Drittens: An diesem runden Tisch soll es keine Tabus, Denkverbote geben. Viertens: Wenn wir uns auf das Ziel einigen, brauchen wir Zeit, um es zu erreichen. Und dann Zuverlässigkeit und Sicherheit für mindestens eine Generation. Ein Generationenvertrag”. „Wenn wir jetzt nicht verantwortungsvoll und ehrlich einen Neuanfang machen“, sagt Buhrow, „gibt es schlimmstenfalls keinen Neuanfang. Aber dafür ist der gemeinnützige Rundfunk sehr wichtig.“ Buhrow sagt, es sei keine Einzeldebatte mehr und verweist auf den Berlin-Brandenburgischen Rundfunkskandal und die norddeutschen Funkvorfälle, es sei eine Grundsatzdebatte. “Was wir nicht oder nicht mehr wollen.” Diese Frage muss gestellt werden. Immer wieder ist von „Reform“ die Rede, gemeint ist aber immer nur eine „Teilreform“. Und wer tatsächlich etwas verpasst, erntet laut Buhrow eine Welle des Unmuts. Niemand traute sich aus der Deckung, alle sahen sich an, “das ist ein bisschen wie beim Mikado, wer sich zuerst bewegt, verliert.”

“Will Deutschland zwei nationale Landesrundfunkanstalten?”

“Was wir gestern gemacht haben, zählt nicht mehr”, sagt Buhrow. „Wir brauchen einen Neuanfang. Ohne die typischen Selbstverteidigungsreflexe. Keine Denkverbote.“ Die erste Frage, die man sich stellen muss, lautet: „Will Deutschland weiterhin zwei nationale, lineare TV-Sender parallel haben? Wenn nicht: Was bedeutet das? Soll das eine ganz verschwinden und das andere bleiben? Oder sollten sie fusionieren und das Beste aus beiden Welten behalten?“