06.10.2022, 19:56 Uhr

Viele Unternehmen leiden unter den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine. Andere profitieren davon, insbesondere große Ölkonzerne. Drei Bundesländer fordern deshalb eine Abgabe auf die durch die Krise verursachten überhöhten Gewinne. Der Vorschlag spaltet die Meinungen von Politikern und Experten. Über den Anstoß der Länder Bremen, Berlin und Thüringen zu einer Sondersteuer auf hohe Unternehmensmehrgewinne infolge des Ukraine-Krieges gehen die Meinungen auseinander. Während SPD, Linke und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die Steuer befürworten, sind FDP und CDU nicht begeistert. Die drei Länder wollen, dass der Bundesrat die Bundesregierung auffordert, einen Vorschlag zur vorübergehenden Einführung einer solchen Steuer für 2022 vorzulegen. Ziel ist es, die krisenbedingten Mehrgewinne insbesondere im Energiesektor zu besteuern oder zu belasten. Aus den Einnahmen werden dann die staatlichen Hilfsmaßnahmen finanziert. Die Wirtschafts- und Finanzausschüsse der Landeskammer beraten zunächst über den Vorschlag, bevor sie in einer der nächsten Sitzungen darüber abstimmen. Während viele Menschen und Unternehmen unter den Kriegsfolgen wie der hohen Inflation litten und der Staat Milliarden an Gegenmaßnahmen aufnahm, füllten nur wenige ihre Taschen, sagte Bremens Ministerpräsident Andreas Bovenschulte. „Sie machen nur ein Vermögen, weil sie die aktuelle Situation schamlos ausnutzen“, sagte der SPD-Politiker. Allein im ersten Quartal dieses Jahres haben die vier Ölkonzerne Shell, BP, Exxon und Total ihre Nettogewinne gegenüber dem Vorjahr von rund 15 Milliarden Dollar auf etwa 34 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt. Thüringens Bundesminister Benjamin Immanuel Hoff sprach von „perversen Tendenzen in unserer Wirtschaft“. Nach der deutschen Verfassungsordnung sei es “das Recht des Staates, diese Gewinne steuerlich abzusetzen”, sagte der Linken-Politiker.

DIW-Führer für Pfand

Eine solche „überhöhte Gewinnbesteuerung“ sei der „falsche Weg“ und „keine gute Idee“, sagte Finanzministerin Katia Hessel bei der Erörterung des Antrags mit der Landeskammer. „Eine solche Steuer wäre wirtschaftlich kontraproduktiv, rechtlich problematisch und wird sicher nicht schnell durchgesetzt“, sagte der FDP-Politiker. Der niedersächsische CDU-Finanzminister Reinhold Hilbers nannte die Initiative „populistisch“ und „wenig altbewährt“. Viele Fragen tauchten auf. „Was ist ein kriegsbedingter Gewinn und in welcher Höhe ist damit zu rechnen? Stehen die erwarteten potenziellen Gewinne in der Rüstungsindustrie auch im Zusammenhang mit dem Krieg? Zweifellos. Aber ist es auch unmoralisch?“ fragte der CDU-Politiker angesichts der ebenfalls datierten Bundesratsänderung des Grundgesetzes nach dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen zur Aufrüstung der Bundeswehr. DIW-Chef Marcel Fratzscher setzt auf eine Sondersteuer. „Aus wirtschaftlicher Sicht finde ich die überhöhte Gewinnbesteuerung absolut richtig“, sagte Fratzscher dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Während der Pandemie fungierte der Staat als Versicherer für Unternehmen in schlechten Zeiten und ersetzte entgangene Umsätze. “Jetzt gibt es umgekehrt eine Industrie, in der Ölkonzerne riesige Gewinne machen. Das sind Gewinne, die nicht wirklich auf den von ihnen erbrachten Investitionen und Dienstleistungen beruhen, sondern das Ergebnis des Krieges sind.” Daher ist es finanziell sinnvoll, einen Teil der Gewinne von Mineralölunternehmen abzuziehen und die Steuerzahler davon profitieren zu lassen.