Die Filme des südkoreanischen Regisseurs Hong Sang-soo haben immer eine besondere Aura. Fein inszeniert und so realitätsnah wie möglich setzt er oft auf einen minimalistischen Stil und eine Handvoll Schauspieler, die er immer wieder einsetzt. Allen voran Kim Min-hee, mit der er seit „Right Now, Wrong Then“ (2015) in insgesamt zehn Filmen zusammengearbeitet hat und seither eine private Beziehung führt (was seither für einen Skandal in den südkoreanischen Medien sorgte Hong war noch verheiratet). Bei der diesjährigen Biennale standen mit „The Novelist’s Film“ und „Walk Up“ zwei Arbeiten des koreanischen Altmeisters auf dem Programm, die beide in Anwesenheit des Regisseurs präsentiert wurden. Hong erhielt zudem den diesjährigen Großen Preis der Jury der Berlinale für „The Novelist’s Film“ und damit seinen dritten Silbernen Bären in Folge. Das Österreichische Filmmuseum zeigt derzeit eine Retrospektive seines Frühwerks. Schriftsteller Jun-hee (Lee Hye-yeong) begibt sich auf eine Reise, von Ort zu Ort, von Person zu Person. Die Menschen, denen er begegnet, sind alte Bekannte oder neue Weggefährten, die Begegnungen sind meist zufällig. Nach Ausflügen in den Buchladen eines Freundes und zu einem Wachturm findet sich die Autorin in einem Park wieder, wo sie die Schauspielerin Kil-soo (Kim Min-hee) trifft, die derzeit eine Pause einlegt. Trotzdem beschließen die beiden Frauen – und gemeinsame Fans – gemeinsam einen Film zu drehen. Regie, Drehbuch, Kamera, Produktion, Schnitt, Musik: Wer sich den Abspann von “The Novelist’s Film” genauer anschaut, wird überrascht sein, hinter fast jeder Aktivität der Name Hong Sang-soo zu sehen. Es verlässt sich nur auf eine andere Person für den Ton. aus rein praktischen Gründen, wie er in der Diskussion vor dem Biennale-Publikum anmerkte. Hong Sang-su ist also ein Schriftsteller wie ein Buch. Daher ist die Herangehensweise, mit der sich der Regisseur an neue Filmprojekte heranwagt, möglichst offen gehalten: Als erstes wählt er den Ort und die Schauspieler aus. Es gibt kein vorher festgelegtes Drehbuch, aber zwei Wochen vor Drehbeginn hat Hong eine grobe Struktur im Kopf. Normalerweise schreibt er das Drehbuch am Vorabend oder am Morgen des Drehtages. Gedreht wird chronologisch und geschnitten nacheinander. Der Großteil des Rohmaterials landet im fertigen Film. Passenderweise lässt sich der Regisseur gerne von der Realität inspirieren: So wusste er beispielsweise, dass seine Produktionsassistentin, die auch im Film (als Tochter des Buchhändlers) zu sehen ist, Gebärdensprache lernt – eine Tatsache, die Hong gleich in seinem Film nutzte . Man isst und trinkt und verzichtet nicht auf echten Alkohol. Gegen Ende kommt noch eine private Einstellung von Hong, Kim und ihrer Mutter zum Einsatz, die sich in ihrer Textur vom Rest des Films unterscheidet, aber gerade deshalb so gut passt. In “The Novelist’s Film” kommt neben dieser Originalaufnahme eine Ästhetik zum Einsatz, auf die Hong Sang-su bereits in “Hotel by the River” oder “Introduction” zurückgegriffen hat: die Komposition des Bildes in Schwarz-Weiß. Ergänzt wird dieses recht schick wirkende Stilmittel durch eine feststehende Kamera, die ab und zu einen Zoom einsetzt, Schnitte auf die jeweiligen Szenen aber komplett entfernt. So entsteht ein fesselnder Erzählfluss, der die Kamera förmlich von Szene zu Szene gleiten lässt. Hong Sang-soos Filmografie mag auf den ersten Blick repetitiv erscheinen, aber gleichzeitig ist seine Verwendung bestimmter Muster und Wiederholungen der Hauptgrund dafür, dass sich sein gesamtes Werk so gut ergänzt. Für den Regisseur dreht sich ohnehin alles um den Prozess des Filmemachens, wobei Spontaneität wichtiger ist als strikte Planung. Und so bietet Hong Sang-su mit dem Film des Romanautors eine fast minimalistische Reflexion über das Leben, die geschickt die Essenz des realistischen Kinos einfängt. Getreu dem Motto: Mal sehen, was passiert. Wenn man bedenkt, dass The Novelist’s Film in zwei Wochen gedreht wurde, ist das mehr als beeindruckend.