Die Schweiz liegt bei der Inflation weit über der EU Während Brot, Butter und Gemüse in unseren Nachbarländern deutlich teurer werden, liegen die Aufschläge in der Schweiz noch im niedrigen einstelligen Bereich. 1/10 Lebensmittel sind in der Schweiz im vergangenen Jahr um 2,4 Prozent gewachsen. Sarah Frattaroli und Christian Kolbe Ein Kilo Pfennige von Prix Garantie oder M-Budget kostet neu 1.40 Franken bei Coop oder Migros. Vor drei Jahren gab es genau die gleiche Packung Nudeln für 85 cm. Enorme Preissteigerung von über 60 Prozent! Doch die Vorzeichen täuschen: Insgesamt sind die Lebensmittelpreise in der Schweiz zwischen August 2021 und August 2022 nur um 2,4 Prozent gestiegen. Bei einzelnen Produkten gibt es Preisextreme – bei Teigwaren zum Beispiel, weil der Krieg in der Ukraine die Getreideversorgung stört. Aber insgesamt ist der Anstieg mild. Vor allem im Vergleich zum Umland: Der sogenannte „Harmonisierte Verbraucherpreisindex“ (HPVI) erlaubt eine gesamteuropäische Betrachtung. Und es zeigt: In der Eurozone beträgt der Anstieg der Lebensmittelpreise 12,4 Prozent. «Davon sind wir in der Schweiz noch weit entfernt», sagt Wirtschaftsforscher Jan-Egbert Sturm (53) von der KOF. Nicht nur beim Essen ist der Unterschied eklatant. Auch Energie, Freizeit, Hotels und Restaurants sind im Euroraum deutlich teurer geworden als in der Schweiz. Nur verkehrlich sind die Schweiz und die Eurozone praktisch gleichwertig.

Harmonisierte Verbraucherpreise

Preisanstieg in der Schweiz Preisanstieg in der Eurozone Lebensmittel 2,4 Prozent 12,4 Prozent Energie 27,9 Prozent 38,6 Prozent Freizeit und Kultur 2 Prozent 4,8 Prozent Hotellerie und Gastronomie 3,4 Prozent 8,1 Prozent Verkehr 9,5 Prozent 9,9 Prozent Was: Eurostat Dass es uns besser geht als dem Rest Europas, liegt auch an der lange kritisierten „Hochpreisinsel Schweiz“, erklärt Sturm: „Dadurch müssen wir uns jetzt viel weniger anpassen.“ Ganz im Gegensatz zu anderen Ländern, die das Preisniveau nun nach oben korrigieren müssen. “Wir stecken sozusagen an unserem hohen Preis fest.”

Der Schwächste verliert

Dies wirkt sich auch darauf aus, wer am stärksten von der Inflation betroffen ist: Wenn die Lebensmittelpreise wie im Euroraum stark steigen, wirkt sich das drastisch auf einkommensschwache Schichten aus. Sie geben einen größeren Teil ihres Haushaltsbudgets für Lebensmittel aus. Aber auch ohne zu teuer gewordene Lebensmittel ist die Inflation in der Schweiz kein Zuckerschlecken mehr, betont Jan-Egbert Sturm: «Menschen am unteren Ende der Einkommensverteilung leiden am meisten unter steigenden Strompreisen oder Krankenkassenprämien.» Diese Effekte werden erst ab dem neuen Jahr voll wirksam, wenn Strompreise und Krankenkassenprämien steigen. Bis dahin werden die Reichsten die Inflation im Portemonnaie spüren: Im Transportbereich etwa, zu dem auch der Automarkt gehört, macht sich die Inflation in der Schweiz bereits voll bemerkbar. Wer mehr Geld hat, kauft sich eher ein neues Auto. Energie ist mit Abstand am teuersten geworden. Vom Benzin an der Zapfsäule bis zum Gas zum Heizen. Aber auch hier ist die Schweiz leichter als andere Länder. Und ein noch stärkerer Anstieg der Energiepreise wäre hierzulande noch verkraftbar, erklärt Rudolf Minsch (55), Chefökonom von Economiesuisse: «Die Energiepreise machen in der Schweiz einen viel geringeren Anteil am Einkommen aus als bei einem durchschnittlichen EU-Bürger.»