Der neue Speicher Kühtai wird über einen Tunnel mit einem Durchmesser von 4,5 Metern mit dem bestehenden, doppelt so großen Speicher Finstertal verbunden. Das Kraftwerk selbst ist komplett unterirdisch. Zwei Turbinen sollen dafür sorgen, dass Energie nicht nur produziert, sondern auch gespeichert werden kann: Zur Förderung fließt Wasser aus dem höher gelegenen Finstertaler Stausee in Richtung Kühtai, zur Speicherung wird die Drehrichtung der Turbinen umgekehrt und das Wasser gepumpt mit überschüssiger Energie, um sie anschließend zur Energieerzeugung zu nutzen, wieder abgelassen werden. ORF.at/Christian Öser Der Dammboden muss gezielt präpariert werden, damit der Damm auch hält Auch die Dimensionen im Innern des Berges sind beeindruckend: Rund 45 Meter hoch wird die Kaverne für die Turbinen und Generatoren. Auch die Sohle der Natursteinschüttung befindet sich im Bau, das gesamte Dammschüttungsmaterial wird vor Ort abgebaut, sowohl beim Bau des Tunnels als auch beim Aushub für den Stausee selbst, sagt Projektleiter Klaus Feistmantl. . Einige Infrastrukturen wie eine 220-kV-Leitung sind bereits vorhanden.
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Auch Wasserkraft ist im kleinen Maßstab möglich
Ganz andere Dimensionen hat die Energiegewinnung in der Gemeinde Assling in Osttirol. Fünf hausgroße Wasserkraftwerke und vier Photovoltaikanlagen versorgen im Verbund der Genossenschaft Elektrowerk Assling (EWA) rund 1.750 Menschen und rund 800 Kunden in der flächenmäßig weit verteilten Gemeinde mit Strom. Die Genossenschaft besteht seit 1927 und bei Bedarf wird die Energieerzeugung immer wieder ausgebaut, sagt Geschäftsführer Harald Stocker. Die Wasserkraftwerke liegen an zwei kleinen Bächen, das neueste Kraftwerk ab 2019 produziert mit einer Leistung von 495 kW rund 2,7 Mio. kWh pro Jahr, das größte mit 2.550 kW 16,5 Mio. kWh pro Jahr. Hinzu kommen vier Photovoltaik-Großanlagen mit einer maximalen Leistung von je 500 kW. Zum Vergleich: Das Erweiterungsprojekt Kühtai wird zu den bestehenden 531 Mio. kWh weitere 216 Mio. kWh ermöglichen, durch Effizienzsteigerungen werden weitere 15 Mio. kWh erwartet. ORF.at/Christian Öser Der Amphibienteich ist eine Ausgleichsmaßnahme für den Bau des Tagesspeichers, der sich unterhalb der Abflachung befindet Die 2019 fertiggestellte Oberstufe 2 in Assling auf rund 1.500 Metern Höhe habe rund vier Millionen Euro gekostet, inklusive des darüber liegenden Tagesspeichers mit einer Kapazität von rund 5.300 Kubikmetern, so Stocker weiter. Im Gegensatz zu den Vorgängerbauten wurde das Obergeschoss 2 mit Holz verkleidet, um sich besser in das Gesamtbild einzufügen. Allerdings mussten 3.000 Kubikmeter Beton auf schmalen Straßen transportiert und LKW-Fahrer per Funk koordiniert werden, um den schmalen Weg nicht zu blockieren.
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Assling ist autark – theoretisch
Mit aktuellen Systemen ist Assling energieautark – in der Theorie, sagt Stocker. In der Praxis verkauft die Genossenschaft den gesamten Strom, um dann die benötigte Energie einzukaufen. Der Strompreis ist nach wie vor unschlagbar günstig, da auch EWA vom Verkauf profitiert. Und bei der TIWAG ist der Strompreis relativ günstig – trotzdem, denn laut TIWAG steht eine „schmerzhafte“ Erhöhung bevor. Grundsätzlich wird Tirol genug Strom für das Land selbst produzieren, aber nicht alle Kraftwerke gehören der TIWAG, sondern dem Verbund und den ÖBB.
Assling Energieautarke Gemeinde
Der Grund für den Verkauf des in Assling produzierten Stroms ist einfach: Es fehlen geeignete Speichermöglichkeiten. Stocker erklärt, dass Wasserkraft den Vorteil habe, 24 Stunden am Tag und CO2-neutral Energie produzieren zu können – der Energiebedarf sei aber nicht 24 Stunden am Tag gleich, sondern schwanke und steige von morgens bis abends stark an fordern. Das gilt auch für die Photovoltaik (PV), die mittags am meisten Strom produziert – gibt es einen Überschuss, muss die Energie abgeführt werden. Hier helfe der Tagesspeicher, sagt Stocker, denn damit könne Energie gespeichert werden, die zu anderen Tageszeiten gerade nicht genutzt werde – so wie in Kühtai, wenn auch in ganz anderen Dimensionen. Insgesamt liefert Wasserkraft den meisten Strom, und zwar ständig, aber die Möglichkeiten zur Erweiterung der Gemeinde sind nicht endlos, fährt Stocker fort.
Produktion und Konsum müssen sich die Waage halten
Strom ist kein ganz einfaches Energieprodukt: Grundsätzlich muss die gleiche Menge, die produziert wird, verbraucht oder gespeichert werden, um das Stromnetz stabil zu halten. Das Stromnetz muss auf einer einheitlichen Frequenz (in Europa 50 Hertz) gehalten werden – wird mittags überschüssiger Strom ins Netz eingespeist, beispielsweise aus PV, erhöht sich die Frequenz und es muss Strom aus dem Netz bezogen und verbraucht oder gespeichert werden. Umgekehrt sinkt die Frequenz, wenn nicht genug Strom im Netz ist. mehr zum Thema
„Auch in Tirol wird es Windräder geben“
Da die Stromnetze in Europa alle miteinander verbunden sind, werden sie auch regelmäßig überwacht, um bei Abweichungen schnell stabilisierend eingreifen zu können. Sowohl die EWA als auch das Bedarfskraftwerk Silz bei Kühtai können das regulieren: Mit seinen 500 Megawatt sei beispielsweise Silz innerhalb von 140 Sekunden auf Volllast, sagt Projektleiter Kühtai Feistmantl. Nach der Inbetriebnahme im Jahr 2026 wird das Kraftwerk in Kühtai dann innerhalb von 120 Sekunden von Erzeugung auf Speicherung umschalten können.
Zahlreiche Gegenmaßnahmen sind erforderlich
Abgesehen von der reinen Zahl und Skalierung sind die Herausforderungen für die Betreiber durchaus vergleichbar: Sowohl für Kühtai als auch für die obere Ebene 2 in Assling sind Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen. In Assling beispielsweise wurde neben dem Speicher ein Amphibienteich angelegt. Das Tageslager selbst ist unsichtbar, weil es unterirdisch ist, nur eine Hütte mit WLAN-Router kann darüber hinwegsehen – Betreiber können die Anlage über das Internet überwachen, die Honigmenge wird in den nahe gelegenen Bienenstöcken gemessen, und die Daten wird ins Tal übertragen.
Bauarbeiten an der Kühtai-Staumauer
Auch im Kühtai wurden Lebensräume für Amphibien gebaut, aber die Maßnahmen gehen dort viel weiter, auch vom Standort her: Unter anderem wurden im Kühtai selbst spezielle Pflanzengemeinschaften in Zwischenbächen, kleine Seggenriede, Quadratmeter am Oberlauf verpflanzt Ende des Stausees, im Ötztal wurde die Ötztaler Ache auf drei Kilometern im Inntal saniert und saniert und revitalisiert. Sechs bis sieben Prozent des gesamten Projektvolumens seien Ausgleichsmaßnahmen, sagt Projektleiter Feistmantl. Am Ende soll aber vom Kraftwerk aus nur der See zu sehen sein. Beide Betreiber erklären, dass es strenge Auflagen gibt, etwa wie viel Wasser zu welcher Jahreszeit aus den Bächen entnommen werden darf: Am Kühtai wird Wasser aus sechs Wasserfassungen im Ötztal und Stubaital aus einer Entfernung von bis zu 25 Kilometern abgeleitet. Zu beiden Projekten wurden Studien durchgeführt, um festzustellen, inwieweit der Eingriff die Natur beeinträchtigte. Beim Projekt Kühtai dauerte der gesamte Prozess bis zur endgültigen Genehmigung von 2006 bis 2019. Laut Stocker ist der Genehmigungsprozess komplex.
Tirol ist führend in der Wasserkraft
Tirol ist führend bei der Wasserkraft, auch wenn Öl mit 41 Prozent den Energiemix in Tirol dominiert. 22 Prozent entfallen auf Wasserkraft, 15 Prozent auf Holz, sechs Prozent auf andere erneuerbare Energieträger und 2 Prozent auf Kohle, heißt es auf Anfrage der Tiroler Landesregierung. Wasserkraft soll den Plänen zufolge bis 2050 46 Prozent des Energiemixes ausmachen, gefolgt von Holz und Sonne mit jeweils 19 Prozent, wenn das Land seinen Energiebedarf zu 100 Prozent aus dem eigenen Land decken will. In Tirol ist das kein Thema, er soll sich daran beteiligen. Neben der Wasserkraft soll auch die Photovoltaik in Tirol stark ausgebaut werden. 2021 seien bereits mehr als 2.000 neue Anlagen ans Netz gegangen, ein Plus von 22 Prozent, so die Landesregierung. Gleichzeitig soll der Energiebedarf bis 2050 um 37 Prozent gesenkt werden, beispielsweise durch Gebäudesanierung und neue Technologien. Im Bereich Mobilität ist das Einsparpotenzial mit 65 % größer. In Assling wird schon Energie gespart, sagt Stocker, und wegen der Preise macht man es selbst. Doch der Umstieg auf Wärmepumpen in Neubauten und E-Autos lässt den Strombedarf vorerst weiter steigen – und damit auch den Bedarf an Kraftwerken wie in Assling und Kühtai. Die Alternative dazu könne nur ohne, sagen wir, Stocker und Feistmantl zusammen sein. Diese ist aber nur bedingt mehrheitsfähig.