dpa/F. Sommer Video: rbb|24 | 09.06.2022 | Material: rbb24 | Bild: dpa/F. Sommer Der 29-Jährige Amokfahrer von Berlin soll in einer Psychiatrie untergebracht werden – das hat die Berliner Staatsanwaltschaft beantragt. Nach rbb-Informationen weiß die Polizei seit 2014 von psychischen Problemen des Mannes. Der 29-jährige Mann, der am Mittwoch mit seinem Auto in Berlin-Charlottenburg eine Frau getötet und dutzende weitere Menschen teils lebensgefährlich verletzt hat, soll in einer Psychiatrie untergebracht werden. Über einen entsprechenden Antrag auf einen Unterbringungsbefehl werde noch am Donnerstag ein Ermittlungsrichter entscheiden, teilte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Sebastian Büchner, am Donnerstagnachmittag mit.

“Schuldunfähigkeit wahrscheinlich”

Bis zur Prozesseröffnung solle der Mann in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht werden, sagte er weiter. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass eine psychische Beeinträchtigung Anlass für die Tat gewesen sei. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Mannes sei man auf Medikamente gestoßen, zudem seien die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbunden worden. Der 29-Jährige leide an einer paranoiden Schizophrenie. “Es gibt keine Anhaltspunkte für einen terroristischen Hintergrund der Tat, ein Unfall kann ebenfalls ausgeschlossen werden”, sagte Büchner. “Wahrscheinlich war es eine vorsätzliche Tat. Der Unterbringungsbefehl wurde mit dem Vorwurf ein vollendeter Mord sowie 31 Fälle des versuchten Mordes beantragt”, erklärte der Sprecher weiter. Hinzu komme der Vorwurf des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Die Mordmerkmale seien Heimtücke und Begehung mit gemeingefährlichen Mitteln. Eine Schuldunfähigkeit sei “wahrscheinlich”.

Polizei wusste seit 2014 von psychischen Auffälligkeiten

Derweil hat der rbb erfahren, dass der 29-Jährige bereits im Jahr 2014 in psychologischer Behandlung war. Im Jahr zuvor sei er durch kleinere Diebstähle aufgefallen, die offenbar einen psychologischen Hintergrund hatten, haben rbb-Recherchen ergeben. Die Polizei hat demnach anschließend den sozialpsychiatrischen Dienst des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf informiert. Der Mann sei daraufhin 2014 für relativ kurze Zeit in klinischer Behandlung gewesen, bestätigte der Bezirksstadtrat für Soziales und Gesundheit, Detlef Wagner, dem rbb. Anschließend sei der sozialpsychiatrische Dienst nicht mehr eingebunden gewesen, so dass keine weiteren Akteneinträge existierten. “Hätte es weitere Auffälligkeiten gegeben, hätte der Dienst informiert werden müssen”, sagte Wagner. Da dies offensichtlich nicht der Fall gewesen ist, sehe er weder bei der Polizei noch beim sozialpsychiatrischen Dienst, wo eine Möglichkeit bestanden hätte zu intervenieren. “Sonst wäre der Vorfall wahrscheinlich verhindert worden”, so Wagner. Ob sich der 29-Jährige nach 2014 privat noch einmal in Behandlung gegeben habe, habe nicht verfolgt werden können.

Mann fiel bislang durch “Bagatellkriminalität” auf

Es gebe keine Erkenntnisse, dass der 29-Jährige schon einmal psychisch auffällig geworden sei, sagte dagegen der Sprecher der Staatsanwaltschaft bei der Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag. Bislang sei der Mann durch “vereinzelte Vorfälle, die Jahre zurückliegen” polizeilich in Erscheinung getreten. Dabei habe es sich aber immer nur um Bagatellkriminalität gehandelt. “2014 gab es nach Jugendstrafrecht eine richterliche Verwarnung wegen Diebstahls gegen den Mann”, führte der Sprecher der Staatsanwaltschaft weiter aus. Zu den Opfern der Amokfahrt sagte er, ein begleitender Lehrer sei lebensgefährlich verletzt worden. Sieben Schüler lägen schwer verletzt in Krankenhäusern, von ihnen schwebe aber niemand in Lebensgefahr. Sieben weitere Schüler seien ambulant behandelt worden, 17 weitere Personen seien leicht bis schwer verletzt. 50 Personen seien am Mittwoch vor Ort psychologisch betreut worden.

dpa/F. Gentsch Hintergrund – Wann man von einer Amoktat spricht Noch ist unklar, ob es sich bei der tödlichen Autofahrt vom Mittwoch in Berlin-Charlottenburg gesichert um eine Amoktat handelt. Einiges spreche dafür, aber noch werde ermittelt, so die Polizei. Wann wird der Begriff Amok verwendet?

Bewusst in zwei Menschengruppen gefahren

Bei der Todesfahrt am Mittwoch in Berlin ist der Täter in zwei Menschengruppen gefahren, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft weiter. Der Mann sei “bewusst mit einem Fahrzeug” in eine erste Gruppe von Menschen an der Ecke Kurfürstendamm und Rankestraße sowie dann auf der Tauentzienstraße in eine Gruppe von Schülern und Lehrern gefahren.

	Hintergrund –
		Wann man von einer Amoktat spricht

Noch ist unklar, ob es sich bei der tödlichen Autofahrt vom Mittwoch in Berlin-Charlottenburg gesichert um eine Amoktat handelt. Einiges spreche dafür, aber noch werde ermittelt, so die Polizei. Wann wird der Begriff Amok verwendet? Eine Mordkommission des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) ermittelte am Donnerstag weiter zum genauen Ablauf der Tat – in alle Richtungen, hieß es. Unter Umständen soll sie wegen der vielen Opfer, Zeugen und sonstigen Hintergründe personell aufgestockt werden. Am Tatort am Kurfürstendamm und der Tauentzienstraße arbeitete am Donnerstag erneut die Spurensicherung der Kriminalpolizei. Auch das sichergestellte Auto sollte noch einmal “intensiv durchsucht” werden, so der Sprecher. Die Polizei bat Zeugen, sich zu melden und auch mögliche Videos und Fotos der Tat an eine Internetseite der Polizei zu schicken. Sendung: rbb24 Abendschau, 09.06.2022, 19:30 Uhr Die Kommentarfunktion wurde am 09.06.2022 um 16:05 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.