Erst droht Nordkorea den USA und Südkorea kaum verschleiert mit dem Einsatz von Atomwaffen, dann werden fast ein Dutzend Raketen abgefeuert, von denen eine nahe der Seegrenze einschlägt. Südkorea reagiert sofort.

Nordkorea hat etwa ein Dutzend Raketen abgefeuert, sagte Südkorea. Der Generalstab von Seoul meldete zunächst drei ballistische Kurzstreckenraketen, die von der Küstenstadt Wonsan im Osten Nordkoreas abgefeuert wurden. Kurz darauf berichtete Südkorea, dass mehr als zehn weitere Raketen unterschiedlicher Modelle auf die Ost- und Westküste der koreanischen Halbinsel abgefeuert worden seien.

Zum ersten Mal seit dem Ende des Koreakrieges (1950-53) landete eine nordkoreanische Rakete in der Nähe südkoreanischer Hoheitsgewässer.

Nach Angaben des Militärs landete die Rakete nur 57 Kilometer östlich des südkoreanischen Festlandes. Dieser Umstand sei “sehr selten und inakzeptabel”. Der südkoreanische Präsident Yun Suk-yeol nannte den Vorfall in einer von seinem Büro veröffentlichten Erklärung eine „De-facto-Invasion“ Nordkoreas auf südkoreanisches Territorium.

Evakuierungsmitteilung für die Insel Ulleungdo

Kurz darauf gab das südkoreanische Militär bekannt, drei Boden-Boden-Raketen auf die Stelle nahe der Seegrenze abgefeuert zu haben, an der die nordkoreanische Rakete gelandet war. Die Seegrenze wurde am Ende des Koreakrieges 1953 von einer US-geführten UN-Truppe gezogen, aber Pjöngjang hat sie nie anerkannt. Im Laufe der Jahre kam es immer wieder zu Zwischenfällen zwischen den beiden koreanischen Staaten.

Nach dem nordkoreanischen Raketenstart wurde im südkoreanischen Fernsehen ein Evakuierungsbefehl für die Insel Ulleungdo östlich der koreanischen Halbinsel verkündet. Außerdem wurde für die Insel Luftalarm ausgerufen. Den Einwohnern von Ulleungdo wurde gesagt, sie sollten zum „nächsten unterirdischen Unterschlupf“ gehen. Japan bestätigte auch den Start ballistischer Raketen durch Nordkorea, und die japanische Küstenwache rief die Schiffe zur Wachsamkeit auf. Premierminister Fumio Kishida sagte gegenüber Reportern, er wolle so bald wie möglich ein „nationales Sicherheitstreffen“ einberufen.

Ungewöhnlich hohe Häufigkeit von Raketentests

UN-Resolutionen verbieten Nordkorea, ballistische Raketen zu testen. Je nach Ausführung können sie auch einen Atomsprengkopf tragen. Nordkoreas jüngste Raketentests finden inmitten wachsender Spannungen in der Region statt.

Nordkoreas Tests wurden in Südkorea als Reaktion auf laufende Luftwaffenmanöver der südkoreanischen und US-Streitkräfte gewertet.

Nordkorea führt seit Ende September, zuletzt am vergangenen Freitag, ungewöhnlich häufig Raketentests durch. Damit soll nach eigenen Angaben der Regierung auch die Bombardierung von Flughäfen in Südkorea mit taktischen Atomwaffen simuliert werden.

Nordkorea testet erneut Raketen

Kathrin Erdmann, ARD Tokio, 2. November 2022 5:50 Uhr