“Frauen hatten den Status von Nutztieren” Seit Jahren sollen vier Frauen im Berner Jura von einem Familienclan gemobbt, misshandelt, vergewaltigt und geschlagen worden sein. Blick spricht vor dem Gerichtsverfahren mit einem Psychiater. 1/5 Das Familienoberhaupt Albrim F. (65) sitzt mit seinen vier Söhnen auf der Anklagebank. Die Gruppe soll die Frauen als Haussklavinnen gehalten haben. Die Anklage aus dem Berner Jura lässt einen erschaudern: Vier Frauen sollen 16 Jahre lang als Sklavinnen festgehalten worden sein, bis ihnen die Flucht aus der Hölle des Familienclans gelang. Die Liste der Beschwerden, mit denen sich das Regionalgericht in Moutier BE ab kommenden Montag auseinandersetzen muss, ist lang: Menschenhandel, Zwangsheirat, Körperverletzung, Nötigung, Vergewaltigung und sexuelle Handlungen mit Kindern. Angeklagt sind fünf Männer – der kosovarische Familienvater mit seinen vier Söhnen.

30 Seiten voller Vorwürfe

Laut Anklage brachte Patriarch Albrim F.* (65) für seine vier Söhne ein Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren als „Ehefrau“ vom Balkan in den Berner Jura – sie stammten aus ärmlichen Verhältnissen. Und er hoffte auf ein besseres Leben in der Schweiz, denn das sei ihnen und ihren Eltern laut Anklage durch die arrangierten Zwangsheiraten versprochen worden. Ein damals 14-jähriges Mädchen wurde den Ermittlern zufolge von ihren Eltern für nur 300 Euro an den Angeklagten verkauft. Anderthalb Jahrzehnte lang sollen männliche Familienmitglieder die jungen Frauen gemobbt, geschlagen, mit dem Tod bedroht, isoliert und vergewaltigt haben. Eines der Opfer musste seinem Schwiegervater und einem Schwager jede Nacht die Füße waschen.

“Status der Viehbestände”

„Missbrauch, besonders von Frauen und Kindern, wirkt auf mich immer erschreckend und verstörend“, sagt Psychiaterin Alexandra Horsch (52) zu dem Fall. Frauen wurden “tatsächlich auf den Status von Tieren reduziert”, nur indem sie verkauft wurden. Pferd versteht, warum die Frauen nicht früher weggelaufen sind. Sie erklärt: „Die Form einer existenziellen Bedrohung ist schwer vorstellbar. Diese Frauen lebten völlig isoliert von einer Clan-Familienstruktur, die Gewalt verherrlichte.” Frauen sind in einer Art „Parallelgesellschaft“ gefangen.

Flucht erfordert „unermessliche Kraft und großen Mut“

2019 gelang den vier Opfern schließlich die Flucht – laut Dominic Nellen (38), der zwei der Frauen vor Gericht vertritt, gelang ihnen die Flucht jeweils auf eigene Faust. Inzwischen würden sie in Frauenhäusern leben. Für den Psychiater ist klar: „Eine solche Flucht erfordert unermessliche Kraft und großen Mut.“ Laut Nellen werden die Frauen von ihren Ex-Männern beschützt, aber einige der mehr als zehn geborenen Kinder besuchten regelmäßig ihre Väter und verbrachten Zeit mit ihnen. Horsch hält es für Mütter nicht für sinnvoll.

Der Psychiater fordert ein hartes Urteil

Laut Opferanwalt Nellen bestreiten die Männer, etwas falsch gemacht zu haben. Auch der Anwalt eines der Söhne kündigte gegenüber Blick an, einen Freispruch anzustreben. Für die fünf Verdächtigen, die alle frei sind, gilt die Unschuldsvermutung. Die mehrtägige Anhörung beginnt am Montag, das Urteil wird am 24. November erwartet. *Name geändert