Peter G. (Name vom Verlag geändert) ist Lokführer – seit 25 Jahren. In dieser Zeit hat er bereits die unterschiedlichsten Lokomotiven und Zugtypen für verschiedene Eisenbahnunternehmen gefahren. Und er kennt die komplexen Sicherheitseinrichtungen, die für einen sicheren Zugbetrieb sorgen sollen. Bei der Neubaustrecke von Wendlingen (Kreis Esslingen) nach Ulm gebe es einige Ungereimtheiten, sagt er.

Video herunterladen (11,2 MB | MP4) Laut Peter G. wurde bei der Gestaltung nicht berücksichtigt, dass viele Züge auf der Strecke überhaupt nicht fahren dürfen. “Das Hauptproblem ist die Anforderung an den Netzwerkzugriff.” Diese regelt die Bedingungen, unter denen ein Zug überhaupt auf einer Strecke zugelassen wird. Betroffen sind unter anderem TGV-Züge auf dem Weg von Paris über Stuttgart nach München.

Strecke mit ETCS ausgestattet

Denn die neue Hochgeschwindigkeitsstrecke ist mit dem neuesten Zugsicherungssystem, dem European Train Control System (ETCS), ausgestattet. Klassische Streckensignalanlagen gibt es nicht mehr, sie arbeiten alle digital. Das neue System soll Schritt für Schritt europaweit ausgerollt werden und den internationalen Bahnverkehr vereinheitlichen und vereinfachen. „ETCS ist die digitale Zukunft der Bahn“, erklärt Hans Leister. Er ist ehemaliger Bahnmanager und seit Jahren als Schienenverkehrsberater tätig. “Vor Jahrzehnten wurde entschieden, dass sich das System über ganz Europa ausbreiten würde.” Wenn neue Strecken gebaut werden, ist es die europäische Gesetzgebung, diese mit dem neuen Zugsicherungssystem auszustatten. Es ist daher richtig und logisch, dass die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Wendlingen und Ulm mit ETCS ausgestattet wurde.

Derzeit fährt kein TGV auf der Neubaustrecke

Lokführer Peter G. stimmt zu, aber das Problem: „Die meisten Züge sind noch nicht mit diesem neuen Sicherheitssystem ausgestattet.“ Und wenn doch, hätten sie eine veraltete Version von ETCS installiert, die nicht mit der neuen Strecke kompatibel war. Das gilt auch für den berühmtesten Schnellzug Europas: den TGV. „Beim Bau der Neubaustrecke hat man sich immer mit dem TGV auseinandergesetzt, damit er auf der Autobahn Paris-München verkehren kann“, erklärt Peter G. Während die bereits weitgehend von der Bahn umgebauten ICEs die Hochgeschwindigkeit übernehmen Hochgeschwindigkeitsstrecke wird der TGV im internationalen Grenzverkehr weiterhin über die Geislinger Steige umfahren. „Vorerst“, sagt Hans Leister. „Denn irgendwann müssen die TGVs auf die neueste ETCS-Version umgerüstet werden.“ „Der TGV, um Ihnen ein Beispiel zu nennen, ist mit Windows 8 ausgestattet, sagen wir, aber die Strecke ist Windows 11. Und das passt nicht mehr. Wenn die TGVs erst einmal mit der neusten ETCS-Version ausgestattet sind, können sie dort auch fahren.“ Hans Leister arbeitete als Bahndirektor und ist Bahnverkehrsberater. Er glaubt, dass das neue Zugsicherungssystem sinnvoll ist, aber die Eisenbahnen waren zu langsam, um auf das Design zu reagieren. SWR Der Ausbau kommt, teilte die Bahn dem SWR mit. „Aufgrund des engen und anspruchsvollen Zeitplans für die Fahrzeugzulassung hat sich der Fernverkehr entschieden, die entsprechenden Zulassungsstrecken für den TGV für Deutschland erst im nächsten Jahr durchzuführen. Daher werden die TGVs mit der Inbetriebnahme der Neubaustrecke zunächst über die alte Filstalstrecke geführt.“ Mit der Inbetriebnahme der Neubaustrecke fährt vorerst ohnehin der ICE. Wie lange das dauern wird, sagt das Bahnunternehmen nicht für die Zulassung von TGV-Zügen bis spätestens 2025 soll es aber soweit sein.

Wenn ein ICE unterwegs ausfällt, fällt er zuerst aus

Den Schlepploks fehlt aber noch das neue ETCS, erklärt Peter G. „Das sind Diesellokomotiven, die zum Beispiel in Stuttgart stehen und havarierte ICEs abschleppen sollen.“ Aber auch diese sind für die neue Linie nicht zugelassen. Was also, wenn ab Dezember ein ICE zwischen Wendlingen und Ulm stecken bleibt? Eine Traktionslokomotive BR 218 steht am Stuttgarter Hauptbahnhof. Wenn auf der Neubaustrecke ein Zug ausfällt, darf diese Lokomotive nur mit Sondergenehmigung auf der Neubaustrecke fahren. SWR Die Bahn hat Dienstanweisungen für Triebfahrzeugführer herausgegeben, die beim SWR abrufbar sind. Demnach müssen die Lokomotiven beim Befahren der Neubaustrecke mit zwei Fahrern ausgerüstet und die Sicherheitssysteme der Lokomotive außer Kraft gesetzt werden. „Bei der Fahrt auf den kaputten Zug beträgt die Geschwindigkeitsbegrenzung bei Fahrten bei klarem Wetter tagsüber maximal 25 Kilometer pro Stunde.“ „Wenn ein Zug mittendrin stecken bleibt, müssen die nachlaufenden Lokomotiven eine gewisse Strecke zurücklegen. Wenn die gesamte Strecke gesperrt ist, vergehen Stunden“, sagt Peter G. In dieser Zeit fährt kein Zug zwischen Wendlingen und Ulm ist möglich. Die Deutsche Bahn ist anderer Meinung: Diesellokomotiven sind nur dann in Bereitschaft, wenn auch eine Oberleitungsstörung vorliegt. Ansonsten sind sie mit Elektrolokomotiven ausgestattet, die auch über die nötigen Zulassungen verfügen, um einen havarierten ICE schnell abschleppen zu können. „Im äußerst seltenen Fall wie einer Oberleitungsstörung auf beiden Gleisen sind Diesellokomotiven nach genehmigten Sonderregeln fahrbereit auf der Strecke. Auch dafür gibt es einen bewährten Betriebsablauf“, so RAILWAY.

Fahren auf Sicht – ein Sicherheitsrisiko?

Im Prinzip sei das ein normaler Vorgang, sagt Bahnberater Hans Leister. „Aber es ist nicht praktikabel. Besser wären signalgeführte Lokomotiven, die den stehengebliebenen Zug heraufholen.“ Hans Leister sieht kein Sicherheitsrisiko. „Ich kenne Beispiele aus dem Ausland, wo man herausgefunden hat, wie man einen havarierten Zug rechtzeitig vom Gleis holt. Ohne allzu lange Gleissperrungen zu verursachen. Es ist nicht praktikabel, was hier jetzt passiert.“ Peter G. hingegen sieht das anders. Das Befahren kleinerer Abschnitte als Zugführer ist keine Seltenheit. Aber man kann sich kilometerweit nicht genug konzentrieren. Sicherheitstechnik soll den Fahrer unterstützen, tut es dann aber nicht mehr. „Der Sonderfall des Fahrens mit deaktivierter Sicherheitstechnik wird hier zum Normalfall.“ Da hilft auch kein zweiter Fahrer. „Durch die Stilllegung der sonst so hoch angesehenen Sicherheitstechnik wird die Sicherheit im Bahnbetrieb in das Lokomotivzeitalter zurückgeführt.“

ETCS und Zulassungen – ein Vorläufer von Stuttgart 21

Sind diese Genehmigungsprobleme auf der Neubaustrecke ein Vorbote weiterer Probleme, die im Rahmen von Stuttgart 21 auftreten könnten? Hans Leister erklärt, dass es zu spät sei, sich um die Systeme in den Fahrzeugen zu kümmern. „Wenn Stuttgart 21 vorbei ist, wird hoffentlich eine bessere Lösung für die Lokomotiven gefunden.“ Denn wenn der neue U-Bahnhof Stuttgart im Dezember 2025 in Betrieb geht, wird das gesamte Schienennetz in Stuttgart nur noch mit ETCS ausgestattet sein. Klassische Signalanlagen und bisherige Zugsicherungstechniken wird es nicht mehr geben. Züge mit veralteten Systemen können einfach nicht mehr am Stuttgarter Bahnhof halten. „Bis dahin müssen die Züge komplett mit dem neuen System ausgestattet sein. Gerade im Regionalverkehr ist das ein Riesenthema. Nur wenige Züge verfügen derzeit über diese Ausstattung“, sagt Leister.

Züge werden umgerüstet oder zurückgezogen

Auch die Deutsche Bahn bestätigt, dass viele der aktuellen Züge künftig nicht mehr nach Stuttgart fahren werden. „Die aktuellen IC-Züge werden in den kommenden Jahren ausgemustert und sind daher nicht für eine ETCS-Umrüstung vorgesehen. Die Beschränkung des Netzzugangs auf den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof in ETCS ist jedoch kein Mangel. Sie ist Voraussetzung für einen starken und Effiziente Geräteinfrastruktur mit digitaler Technik.“ Bei Diesellokomotiven wurden bereits neue ETCS-zugelassene Lokomotiven bestellt, die aber erst 2026 ausgeliefert werden. Auch das Land Baden-Württemberg beschäftigt sich mit dem Thema. Das Verkehrsministerium hat bereits 150 neue Nahverkehrszüge bestellt, die mit dem neuen ETCS ausgerüstet werden sollen. Sie sollen rechtzeitig zur Eröffnung von Stuttgart 21 geliefert werden. Stuttgart Baden-Württemberg bestellt neue Regionalzüge für eine Rekordsumme von zweieinhalb Milliarden Euro. Das hat mit dem künftigen U-Bahnhof in Stuttgart zu tun. mehr…

Schwierige Übergangszeit

„ETCS ist die Zukunft“, bestätigt Hans Leister. „Die Übergangszeit ist jetzt das Schwierige in ETCS. Vor allem, wenn viele Jahre vergangen sind. Die Bergung eines ausgefallenen Zuges ist nur ein Beispiel.“ Die große Herausforderung besteht darin, dass ETCS in den nächsten Jahren hauptsächlich in Teilregionen installiert wird und die Züge immer wieder zwischen den bisherigen Sicherungssystemen und dem neuen ETCS wechseln müssen.

Digital-Hub Stuttgart

Im Rahmen des Großbauvorhabens Stuttgart 21 einigten sich die Projektpartner darauf, neben der Neubaustrecke auch den neuen Bahnhof und alle Zufahrtstunnel mit dem neuen Zugsicherungssystem ETCS auszustatten und auf herkömmliche Zugsicherungssysteme zu verzichten. Damit sollen höhere Frequenzen und dichtere Züge, mehr Zuverlässigkeit und pünktlichere Abläufe gewährleistet werden.