Wien (PK) – Mit der traditionellen öffentlichen Expertenanhörung hat der Haushaltsausschuss heute seine Beratungen zum Bundesfinanzgesetz 2023 aufgenommen. Der Haushaltsentwurf wurde von Christoph Badelt (Wirtschaftsuniversität Wien), Martin Gundinger (Austrian Economic Center) analysiert. Monika Köppl-Turyna (Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria), Markus Marterbauer (Arbeitskammer Wien) und Margit Schratzenstaller-Altzinger (Wirtschaftsforschungsinstitut Österreich). Mit Ausnahme von Gundinger bewerteten Experten strukturelle Maßnahmen wie die Steuerreform, höhere Ausgaben für den Klimaschutz und den sozialen Sektor, insbesondere im Gesundheitswesen, als positiv und bezeichneten Beratungstelefone als unbedingt notwendige Maßnahmen. Sie forderten jedoch dringend Maßnahmen zur Stabilisierung des Haushaltspfades mit unterschiedlichen Nuancen und verwiesen in diesem Zusammenhang auf die demografische Entwicklung, die sich vor allem in den Renten, im Pflegebereich und im Gesundheitswesen niederschlägt. Um sich dafür den nötigen Spielraum zu verschaffen, wurden mit Nachdruck strukturelle Maßnahmen gefordert, die von der Steuerreform über die Föderalismusreform bis hin zu mehr Effizienz reichen. Es wurde immer wieder betont, dass dieser Haushaltsentwurf auch ein Krisenhaushalt ist. Die Reduzierung des Haushaltsdefizits relativ zum BIP ist für Ökonomen eher irreführend: im Inland, weil dies hauptsächlich auf eine hohe Inflation und einen Anstieg des nominalen Sozialprodukts zurückzuführen ist. Insgesamt sieht der von der Regierung vorgelegte Haushalt für das nächste Jahr Einnahmen in Höhe von 98,1 Milliarden Euro und Ausgaben in Höhe von 115,1 Milliarden Euro vor, was zu einem Defizit von 17 Milliarden Euro bzw. 17 Milliarden Euro bzw. -3,1 % des BIP führt. Das Defizit des Gesamtstaates – also inklusive Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen – wird mit -2,9 % prognostiziert, ebenso das strukturelle Defizit des Bundes. Notwendige Bedingung ist, dass die Wirtschaft trotz der aktuellen Krisen im Jahr 2023 weiter leicht um 0,2 % wächst. Der gesamtstaatliche Haushaltssaldo dürfte in den kommenden Jahren weiter auf -1,6 % des BIP sinken. Die gesamtstaatliche Schuldenquote wird im Jahr 2023 voraussichtlich 76,7 % des BIP betragen und soll gemäß dem föderalen Haushaltsrahmen bis 2026 trotz eines deutlichen Zinsanstiegs auf 72,5 % sinken. Begleitend zum Haushaltsentwurf steht den Abgeordneten ein umfassendes Haushaltsbegleitgesetz zur Konsultation zur Verfügung. Damit soll unter anderem die angekündigte Aufstockung des Militärbudgets langfristig gesichert und ein neuer milliardenschwerer Fördertopf für die klimafreundliche Transformation der Industrie geschaffen werden. Auch für klimafreundliche Investitionen der Kommunen, Maßnahmen zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen und viele andere Bereiche soll es mehr Geld geben. Auch der finanzpolitische Rahmen des Bundes für die Jahre 2023 bis 2026 wurde verhandelt. Badelt: Entlastungsmaßnahmen sind in Krisen notwendig, aber Budgetkonsolidierung nicht vergessen Der Haushalt sei geprägt von einem starken externen Umfeld – etwa den Stützungsmaßnahmen, den COVID-Maßnahmen und den Auswirkungen der ökologischen Steuerreform – sagte Christoph Badelt von der Wirtschaftsuniversität Wien. Sie stellt die finanzielle Absicherung der Hilfe dar und setzt Schwerpunkte, etwa durch den Klima- und Transformationsangriff, durch Erhöhung des Verteidigungsbudgets, Rentenzahlungen und die erste Stufe der Pflegereform. Dies spiegelt sich insbesondere auf der Ausgabenseite wider. In wirtschaftlichen Krisensituationen sei es jedoch durchaus gerechtfertigt, Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer Erhöhung der Staatsverschuldung führten, betonte Badelt. Angesichts der Zahlen, die eine relative Verringerung des Defizits gegenüber 2022 zeigen, dürfe man sich nicht täuschen, warnte Badelt. Weil das Wachstum auf eine hohe Inflation und einen Anstieg des nominalen Sozialprodukts zurückzuführen ist. Deshalb dürfen wir nicht vergessen, wieder einen Konsolidierungspfad einzuschlagen, der natürlich auch vom Ende der von Österreich nicht voll beeinflussbaren Krisen abhängt. Dazu gehören laut Badelt die Inflationsentwicklung, steigende Zinszahlungen, die immer größer werdende Schere zwischen Sozialausgaben und Einkommen, die uns treffende demografische Entwicklung und weitere berechtigte Ausgabenforderungen, die erfüllt werden müssen, etwa in Bildung und Stillen. Dies erschwert die Aufstellung des künftigen Haushalts. Badelt forderte daher die Politik auf, jetzt Maßnahmen zur Gegenfinanzierung zu ergreifen. Gundinger: Der Haushalt ist keine Grundlage für Produktivitätssteigerung und Inflationsbekämpfung Martin Gundinger vom Austrian Economic Center konnte im Budgetentwurf keine positiven Aspekte finden. Das treibt seiner Meinung nach die Preise in die Höhe und schadet den Steuerzahlern. Die Zahlungen werden im Vergleich zu 2019 um 46 % steigen, berechnete er, und sich auf 8.500 € pro Mitarbeiter belaufen. Er kritisierte die Hilfen scharf, da sie auch die Inflation anheizen würden. Gundinger befürchtet, dass die Unterstützung weiter wachsen wird, was schließlich zu einem finanziellen Zusammenbruch führen wird, der unter einer Geldlawine begraben wird. Deshalb plädierte Gundinger dafür, nur denen zu helfen, deren Existenz bedroht ist. Besonders zurückhaltend war er bei Beihilfen für Unternehmen, da diese nur ein System bewahrten, das nicht am Markt gehalten werden konnte. Auch die Lockdowns während der Pandemie kritisierte er scharf und nannte Maßnahmen zur Energiewende einen Fehler. Im Gegenteil, die Hindernisse, die die Geschäftstätigkeit erschweren, sollten beseitigt werden. Man muss gezielt und unbürokratisch helfen, die Inflation muss durch Produktivitätssteigerungen bekämpft werden, so meine ich. Gundinger plädierte dafür, unternehmensbezogene Regelungen aufzuheben und politische Tabus zu überdenken. Insbesondere nannte er die geplante Transformation der Wirtschaft mit dem Schlagwort der Klimagerechtigkeit. Einen Fokus auf Produktivität sieht er im vorliegenden Haushaltsentwurf nicht. Vielmehr ist es eine Kampfansage an Wohlstand, Mittelstand und kommende Generationen. Köppl-Turyna: Notwendig sind weitreichende Reformen in Rente, Bildung und Föderalismus sowie eine Weiterentwicklung der Digitalisierung Auch Monika Köppl-Turyna vom Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria sprach über ein Krisenbudget. Wie bei Badelt war ihre Analyse gemischt. Er beschrieb auch die ergriffenen Unterstützungsmaßnahmen als notwendig, begrüßte auch die Abschaffung der Kaltentwicklung und war der Meinung, dass dies auf allen Einkommensstufen erfolgen sollte. Er warnte jedoch angesichts des demografischen Wandels, der voraussichtlich die Ausgaben für Renten, Gesundheit und Pflege in die Höhe schnellen lassen wird, was zusammen mit steigenden Zinsbelastungen die Steuermargen schmälern wird. Er drängte daher auf weitreichende Reformen. Ihrer Meinung nach reicht die Anhebung des faktischen Renteneintrittsalters nicht aus, eine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters ist notwendig. Er sah einen erheblichen Reformbedarf im föderalen Bereich, insbesondere in der Finanzgleichung. Dies soll in Richtung größerer Einnahmeautonomie der Länder, aber auch größerer Verantwortung und größerer Transparenz gehen. Die Grundsteuerreform, insbesondere die Bemessungsgrundlage, sollte sich positiv auf die Finanzen der Gemeinde auswirken. Im Bildungswesen werde mehr Geld für die metropolitane und überregionale Planung benötigt, sagte er. Darüber hinaus forderte Köppl-Turyna im Interesse einer höheren Effizienz der Landesverwaltung eine rasche Weiterentwicklung der Digitalisierung. Besonderes Augenmerk legte Köppl-Turyna auf kleine und mittelständische Unternehmen, die für die Volkswirtschaft unverzichtbar sind, derzeit aber stark unter Druck stehen. Das dürfe nicht weiter erodieren, sagte er. Große Unzufriedenheit herrscht auch mit Bildung, wo Ausgaben nicht mit Qualität korrelieren. Hier sah er die Notwendigkeit struktureller Reformen. Kindergärten sind ihrer Meinung nach unterfinanziert. Markus Marterbauer: Ungenutzte steuerliche Möglichkeiten nutzen, um Ungleichheit zu bekämpfen Markus Marterbauer, Experte der Arbeiterkammer Wien, forderte erneut Reformen im Bereich der Steuersysteme und Sozialversicherungssysteme. Ihm zufolge verzichtet die Regierung auf ungenutzte Mittel für notwendige Maßnahmen zum Ausbau der Gesundheitsversorgung, für ein besseres Bildungssystem und für eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Er forderte eine Rücknahme der Körperschaftssteuersenkung, eine Steuer auf überschüssige Gewinne für Energieunternehmen, das Schließen von Steuerschlupflöchern und progressive Erbschafts- und Nachlasssteuern. Er fand positive Worte für die Fokussierung auf den Klimasektor und hob den kommunalen Klimainvestitionsfonds hervor, der seiner Meinung nach dauerhaft dotiert sein sollte. Die Maßnahmen reichen seiner Meinung nach jedoch nicht aus, um die Klimaverpflichtungen zu erfüllen. Ihm zufolge gibt es auch keine klaren Ziele und er stellte eine große Ineffizienz fest. Er begrüßte auch die ersten Schritte der Pflegereform, forderte aber weitaus mehr, darunter den Ausbau von Mobilfunkdiensten, verbesserte Arbeitsbedingungen für Pflegende und Verbesserungen für 24-Stunden-Pflegekräfte, die von Scheinselbstständigkeit und Lohndumping bedroht sind. Marterbauer richtete sein Augenmerk auch auf die zunehmende inflationsbedingte Ungleichheit. Auch wenn die Pauschalbezüge und die Anhebung des Ausgleichsausgleichsrichtsatzes…