Klinikpatienten müssen zu Hause schlafen Eigentlich eine charmante Idee: Patienten müssen künftig nicht mehr in Kliniken bleiben. Von zu Hause ins eigene Bett! Auf jede erdenkliche Weise. Ambulante Behandlung ist der Fachbegriff für das, was durch die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante umfassende Krankenhausreform gefördert werden soll. Der Grund: In Deutschland werden im internationalen Vergleich viele stationär behandelt. In Dänemark werden beispielsweise 80 Prozent der Hernien ambulant behandelt, hier sind es 20 Prozent. Der Gesundheitsminister forciert deshalb die sogenannten Tagesbehandlungen in den Kliniken. Dazu soll die Liste der dort ambulant durchführbaren Eingriffe erweitert werden. Krankenkassen und Patientenfürsprecher erwarten nichts Gutes. “Wer entscheidet, wer nachts nach Hause gehen soll oder darf?” fragt Eugen Brysch (60), Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. “Krankenhäuser sind für Patienten da, nicht umgekehrt.” Menschen mit Demenz und Pflegebedürftige sind die Verlierer. Auch die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) hat große Bedenken. „Patienten, die sonst mit dem Taxi oder Krankenwagen hin- und hergefahren würden, müssten jeden Morgen und Abend erneut gefahren werden“, warnt AOK-Hauptgeschäftsführer Dr. Carola Reimann (55). Denn Krankenhausaufenthalte könnten zu Kontroll- und Nachsorgezwecken auf mehrere Tage verteilt werden. Allein die zusätzlichen Transportkosten beziffert die Versicherung auf bis zu vier Milliarden Euro pro Jahr.
Lesen Sie auch
„Wer das bezahlt, ob die Krankenkasse oder der Patient, ist noch unklar“, sagt Reimann. Es gibt auch das Problem der Tradition. “Soll ein geriatrischer Patient zu Hause von einem Pflegedienst betreut werden: Wer koordiniert die Abläufe, wenn der Patient zwischen Klinik und Zuhause wechselt?”
Auch interessant
Krankenhäuser sollten eigentlich das Gegenteil sein, da sich ambulante Eingriffe bisher weitaus weniger rentieren als stationäre. Die Heime seien derzeit “finanziell und personell am Limit”, sagt Gerald Gass (59), Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft. “Einerseits haben die stark gesunkenen Fallzahlen die Einnahmen geschmälert, andererseits sind die Kosten inflationsbedingt drastisch gestiegen.”
Der Grund für die erstaunliche Einigung der Kliniken ist einfach: Ambulante Behandlungen im Krankenhaus müssen künftig wie stationäre Behandlungen bezahlt werden – also deutlich höher. Für die fehlende Nacht wird nur ein kleiner Beitrag abgezogen.
Kein Wunder also, dass die Kliniken keine Einwände gegen die Pläne haben. „Die Überlegung des Gesundheitsministers, Tagesbehandlungen gesetzlich zuzulassen und damit die ambulante Behandlung zu fördern, ist ein erster Ansatz, um den Herausforderungen des Fachkräftemangels zu begegnen“, sagt Professor Jens Scholz (63), Rektor der Universität Schleswig-Holstein. Krankenhaus.
Foto: BILD
Im Klartext: Wenn nachts weniger Patienten auf den Stationen sind, wird weniger Personal benötigt. Ob diese Lösung angesichts der 30.000 offenen Stellen jedoch tatsächlich eine nennenswerte Wirkung entfalten wird, ist fraglich.
„Das würde das Krankenhauspersonal etwas entlasten, weil die Operationen sowieso weitergehen müssen und eine personelle Mindestbesetzung auf den Stationen sichergestellt werden muss“, sagt Reimann.
Dieser Artikel stammt von BILD am SONNTAG. Das ePaper der gesamten Ausgabe ist verfügbar hier.