Die Bundesregierung kritisiert extreme Formen des Klimaprotestes als “unproduktiv”. Grund ist die mögliche Behinderung einer Rettungsaktion durch die Gruppe „Last Generation“. Auch die Spitzenpolitiker der Grünen finden klare Worte.
Die Bundesregierung hat Klimaaktivisten ermahnt, sich an das Gesetz zu halten. Ein Engagement für den Klimaschutz „muss uns gesellschaftlich verbinden“ und „darf nicht außerhalb des Rahmens unserer Gesetze geschehen“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Buchner.
Die Grenze des legitimen Protests sei erreicht, wenn Menschenleben in Gefahr seien, erklärte er. „Die Form des Protests, die wir jetzt sehen, besonders in dieser Woche, ist weder effektiv noch konstruktiv“, sagte Buchner. „Menschenleben dürfen nicht gefährdet werden und deshalb akzeptieren wir auch diese Form des Protests nicht.“
Buchner betonte, der Klimaschutz sei “das zentrale Anliegen” der Bundesregierung. Auch Bundeskanzler Olaf Solz stehe für “jedes demokratische Engagement”.
Wurde die Rettungsaktion behindert?
Anlass für die heutige Aussage ist ein Vorfall, der sich am Montag in Berlin ereignet hat. Dort stürzte ein Radfahrer unter einen Lastwagen. Ein Spezial-Krankenwagen, der die Frau retten sollte, traf nach Angaben der Feuerwehr wegen eines von Klimaaktivisten der Gruppe „Last Generation“ verursachten Staus mit wenigen Minuten Verspätung am Unfallort ein. Der Radfahrer starb am Donnerstagnachmittag im Krankenhaus.
Buchner nannte die Last-Generation-Bewegung nicht konkret und betonte, er wolle ausdrücklich keinen Zusammenhang zwischen dem Tod des Radfahrers in Berlin und der Blockade der Straße durch Klimaaktivisten herstellen. Dies ist Teil einer Umfrage. Stattdessen wolle er sich „grundsätzlich“ zu den Klimaprotesten äußern.
Die Berliner Polizei hat Strafanzeige gegen zwei Klimaaktivisten wegen unterlassener Hilfeleistung erstattet. Laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ soll der Ausschluss keine Auswirkungen auf die Notfallbehandlung der verunfallten Frau gehabt haben. Laut der Zeitung soll der Notarzt nicht durch den Stau behindert worden sein und sich um das Unfallopfer kümmern. Daher entschied man sich trotzdem dafür, dass der Betonmischer nicht mit dem Spezialfahrzeug angehoben werden sollte.
Lang: “Inakzeptabel”
Noch bevor sich der stellvertretende Regierungssprecher Buchner an die Presse wandte, wiesen die Grünen den Vorfall deutlich zurück. „Wenn Protestaktionen die Sicherheit oder das Leben von Menschen gefährden, ist das einfach inakzeptabel“, sagte Parteichefin Ricarda Lang.
Finanzminister Robert Habeck sagte der Mediengruppe Funke: „Wer mit seinem Protest die Gesundheit und das Leben anderer aufs Spiel setzt, verliert jede Legitimität und schadet auch der Klimabewegung selbst.“ Protestformen, die Menschen gefährden, sind falsch. „Aber die Proteste mancher Gruppen tun jetzt genau das“, sagte der Grünen-Politiker.
Aktivisten stehen vor einem Umbruch
„The Last Generation“ sieht sich nach dem Vorfall vom Montag massiver Kritik ausgesetzt. In den vergangenen Monaten blockierten ihre Mitglieder immer wieder Straßen und Autobahnzufahrten, indem sie auf dem Asphalt klebten, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Aktivisten stellten in einer Erklärung zum Unfall klar: „Machen wir uns nichts vor: Dass der Radfahrer auf der Straße einen Unfall hatte, ist schrecklich. Wir sind enttäuscht und in Trauer.“ In der Erklärung beklagen die Aktivisten aber auch eine „Welle von Beschwerden, Abschaltungen und Hassreden“, die auf sie zukommt. Das Medienpublikum nutzte den Unfall aus. “Als ob endlich ein Haken gefunden worden wäre, um unseren friedlichen Protest in den Dreck zu ziehen.” Sie würden damit rechnen, sich Feinde zu machen, aber nicht, “dass sich ein ganzes Mediensystem gegen uns wendet”.
Die Gruppe wirft der „Medienlandschaft“ vor, „eine Situation in dieser Form fantasievoll zu übertreiben und damit demokratischen Protest in einer Krisensituation zu delegitimieren“. Was künftige Aktionen betrifft, so hieß es, die Gruppe lasse sich durch den „öffentlichen Aufschrei“ nicht davon abhalten, „das einzig moralisch Richtige zu tun“. Die Bundesregierung sollte den Protest beenden, indem sie die Krise unter Kontrolle bringt. “Bis dahin wird der Widerstand weitergehen.”
“Polarisierendes Ereignis”
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) wies die Medienkritik der Aktivisten zurück. „Ich sehe keine Unruhe in der Berichterstattung“, sagte Sprecher Hedrik Zorner der Nachrichtenagentur AFP. Die letzte Generation musste sich damit abfinden, dass über den Unfall in den Medien berichtet wurde.
Es verwundert nicht, dass die Proteste inzwischen sowohl in den traditionellen als auch in den sozialen Medien „kritisch kommentiert“ werden. Denn der Unfall sei ein “polarisierendes Ereignis”.
Kritischer Blick der Klimaforscher
Experten haben unterschiedliche Meinungen zu Maßnahmen. Martina Schäfer, die selbst zu den gesellschaftlichen Herausforderungen des Klimawandels forscht, beschreibt „zivilen Ungehorsam als Teil der Demokratie“. Grundsätzlich geht es bei den Protesten des zivilen Ungehorsams darum, den Alltag und die Routine zu stören, um auf ein demokratisches Defizit aufmerksam zu machen. Zukünftige Generationen würden nicht in politischen Gremien sitzen.
„Jugendliche nehmen das so wahr, dass sie anders kaum Einfluss nehmen können, wie es Lobbygruppen tagtäglich tun“, sagt Schäfer. Das Risiko für Umstehende muss jedoch durch Protestieren minimiert werden.
Klimaforscher sehen dagegen die Protestaktionen der „Last Generation“ kritischer. Aktivisten seien vor allem daran interessiert, Aufmerksamkeit zu erregen, sagt Mojib Latif vom Geomar-Zentrum in Kiel. „Aber ich sehe die Gefahr, es schlecht zu machen und …