Friederike Böge
       Politischer Korrespondent für China, Nordkorea und die Mongolei.       

Das traurige Ereignis im Oktober zeigt die Ambivalenz Deutschlands in Bezug auf die Beziehungen zu seinem wichtigsten Handelspartner China, dem zweitmächtigsten Land der Welt. Nach einem halben Jahrhundert deutsch-chinesischer Diplomatie ist in Berlin niemandem nach Feiern zumute. Beim Jubiläumskonzert in der Chinesischen Botschaft in Berlin ist der prominenteste Gast Altkanzler Gerhard Schröder.

Zwölf Stunden in Peking

Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz, der erste Regierungschef eines G-7-Staates seit Beginn der Pandemie, am Freitag in Peking Staats- und Parteichef Xi Jinping trifft, steht eine große Frage im Raum: Wie geht es Deutschland? empfinden Sie Chinas totalitäre Regierung, die offen die Weltordnung regiert und an die deutsche Unternehmen im vergangenen Jahr Waren im Wert von über hundert Milliarden Euro verkauft haben? Scholz wird nur zwölf Stunden in Peking sein. Zusammen mit Xi trifft er Ministerpräsident Li Keqiang, der beim gerade zu Ende gegangenen Kongress der Kommunistischen Partei am Rande war. Auf jedes Wort und jede Geste von Scholz wird genau geachtet: von den Koalitionspartnern in Berlin, die Chinas Politik in eine neue Richtung drängen wollen. Von den Partnern der EU, deren Blick auf China sich seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine deutlich verdüstert hat. Aus den USA, wo Deutschland als unzuverlässiger Partner im gemeinsamen Vorgehen gegen die chinesische Expansionspolitik gilt. Und von der chinesischen Führung selbst, die Deutschland seit langem als potenziellen Swing-State im Großmachtkampf mit den USA betrachtet. Die deutsche Politik zeigte im Vorfeld der China-Reise der Kanzlerin ein gespaltenes Bild. Im Streit um den Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco in die Betreiberschaft des Terminals Tollerort im Hamburger Hafen ignorierte Scholz Warnungen von sechs Bundesministerien und Geheimdiensten. „Russland ist der Sturm, China ist der Klimawandel“, warnte der Präsident des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang. Hintermänner des Cosco-Deals denken an Arbeitsplätze und die wirtschaftliche Zukunft von Deutschlands wichtigstem Hafen. Kritiker warnen, dass es in China darum gehe, „zuerst den großen Zeh in die Tür zu bekommen, dann den Fuß, dann den ganzen Körper“. Das sagt Johann Wadephul, Vizepräsident der Unionsfraktion und Chef der China AG seiner Partei. Viele Grüne und Liberale sehen das ähnlich. Der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde bereits vorgeworfen, geostrategische Fragen im Umgang mit China und Russland zu ignorieren. Tappt Scholz jetzt in dieselbe Falle?