Zigarettenrauch verursacht Lungenkrebs, UV-Strahlung verursacht schwarzen Hautkrebs und HP-Viren verursachen Gebärmutterhalskrebs. Weniger bekannt ist, dass Bakterien auch Krebs verursachen können. Aber sie tun es – im Magen und Darm. Manchmal nimmt das Leben Umwege. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal an krebserregenden Bakterien forsche“, sagt Jens Puschhof, Forscher am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Faszinierender fand er das Immunsystem, aber es gab schon zu viele, die sich damit auseinandersetzen wollten. Dann stolperte er über ein exotisches Thema: Eben, krebserregende Bakterien, und war süchtig.
Die Bakterien können zu Dickdarmtumoren führen
Die Community, die jetzt daran forscht, ist noch klein, aber der Stand der Studie wird immer besser. Eine diese Woche im Fachblatt Science veröffentlichte Studie zeigt erstmals, dass nicht nur wenige Bakterien zur Entstehung von Krebs beitragen, sondern viele. „Mich hat überrascht, wie viele Bakterien dazu in der Lage sind“, sagt Puschhof. Die Forscher isolierten zwölf Bakterienstämme aus der Darmflora von Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und konnten zeigen, dass sie alle Wirkstoffe bilden, die die DNA schädigen. DNA-Schäden stehen am Anfang allen Krebses, wenn sie in bestimmten Genen auftreten, die für das Zellwachstum wichtig sind. Einen dieser Wirkstoffe nahmen die Forscher dann genauer unter die Lupe und zeigten, dass er bei Mäusen das Wachstum von Darmtumoren fördert. Es gibt viele Möglichkeiten, DNA zu schädigen. Das Genom besteht aus zwei DNA-Strängen, die wie ein Reißverschluss mit zwei miteinander verbundenen Strängen verbunden sind. Manche Bakterien scheiden Wirkstoffe aus, die den DNA-Doppelstrang komplett durchtrennen, andere durchtrennen einen der beiden Stränge, wieder andere schneiden an bestimmten Stellen des Stranges, wieder andere wahllos.
Das Darmbakterium wickelt sich um den DNA-Strang
Jens Puschhof konnte 2020 zeigen, dass ein bestimmter Stamm des Darmbakteriums Escherichia coli etwas ganz anderes mit dem Erbgut von Darmzellen anstellen kann. Dieser Stamm von E. coli sondert Colibactin ab, einen Faktor, der sich um den DNA-Doppelstrang wickeln kann. Es sei fast so, als würde “jemand einen Knoten um den DNA-Strang knüpfen”, sagt Puschhof.
Warum Bakterien menschliches Erbgut schädigen
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Warum produzieren Bakterien Stoffe, die menschliches Erbgut schädigen können? „Höchstwahrscheinlich wird es beim Menschen keinen Krebs auslösen“, sagt Forscher Jens Puschhof. Wahrscheinlich dienen diese „genotoxischen“ Substanzen Bakterien eher dazu, die Konkurrenz in Schach zu halten, indem sie zum Beispiel direkt deren Erbgut angreifen. Darüber hinaus können die Substanzen auch der Abwehr von Viren, sogenannten Bakteriophagen, dienen. Sie können auch durch Angriffe auf ihre genetische Ausstattung deaktiviert werden. Dass Bakterien menschliche Tumore begünstigen, ist also eher ein Zufall. Will die Darmzelle dann ihr Erbgut auslesen, muss sie den Doppelstrang, also den Reißverschluss, öffnen. Denn in diesem Reißverschluss ist der Erbcode versteckt. Und das ist nicht mehr möglich – wegen des Knotens. Der DNA-Doppelstrang bricht oft, wenn die Zelle versucht, die DNA abzulesen.
Mögliche Ursache von Tumoren
Jens Puschhof testete nicht nur diese E-Coli-Bakterien und ihren Wirkstoff Colibactin, sondern auch Tumorgewebe von Darmkrebspatienten. Bei sieben Prozent fand er charakteristische Muster in den Tumoren, die Colibactin im Erbgut hinterlässt. Dies deutet darauf hin, dass Colibactin zu diesen Tumoren beigetragen hat.
Wer oder was verursacht Krebs?
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Viele Krebserkrankungen sind einfach Pech. Zufällige Fehler im Genom einzelner Zellen, die für die Krebsentstehung wichtige Gene betreffen, reichen aus, um tödliche Tumore entstehen zu lassen. Aber es gibt auch Umwelteinflüsse, die bekanntermaßen das Auftreten solcher Fehler erhöhen: Helicobacter pylori fördert Magenkrebs, HP-Viren fördern Gebärmutterhalskrebs, UV-Strahlung schädigt das Erbgut der Haut und verursacht Hautkrebs und Zigarettenrauch tut dasselbe die Lungen. Puschhofs Forschungsgemeinschaft ist noch klein, viele Fragen sind noch offen, vor allem, wie die neuen Erkenntnisse zum Schutz vor Krebs genutzt werden können. Vererbung, Lebensstil und Entzündungen bleiben für sich genommen wichtige krebsverursachende Faktoren, aber eines ist klar: Wenn es darum geht, wie Krebs im Darm entsteht, sollten wir die Darmbakterien nicht verpassen.