Stand: 10.06.2022 22:14 Uhr
US-Inflationsdaten sowie Zinssorgen und die dadurch geschürte Rezession ließen die Aktienmärkte am Wochenende erneut ins Rutschen geraten. Dow Jones und DAX brachen stark ein.
Sinkende Inflationserwartungen nach den jüngsten US-Inflationsdaten und Befürchtungen einer anhaltenden Serie scharfer Zinserhöhungen haben die Aktienmärkte am Wochenende in den Abgrund getrieben. Auch der drohende Wirtschaftsabschwung hat die Anleger von den Aktienmärkten vertrieben.
Die Wall Street hat heute tiefrot geschlossen. Der industrielle Durchschnitt des Dow Jones fiel um 2,73 %. Das Minus auf Wochensicht beträgt mehr als 4,5 Prozent. Der S&P 500 fiel marktweit sogar noch stärker um etwa 2,9 %. Das Technologie-Schwergewicht Nasdaq 100 rutschte um 3,56 % ab. Alle drei Indizes verzeichneten ihren größten wöchentlichen Verlust seit Januar.
Zinsängste belasten Technologieaktien
Die Inflation in der größten Volkswirtschaft der Welt hat den höchsten Stand seit mehr als 40 Jahren erreicht. Die US-Verbraucherpreisinflation lag im Mai bei 8,6 % und damit über den Erwartungen der Ökonomen von 8,3 %. Nach dem Inflationsrückgang im April hofften Aktienhändler, dass die US-Notenbank die Zinserhöhungen ab September verlangsamen oder sogar pausieren würde. „Allerdings sind die Hoffnungen, dass die Inflation ihren Höhepunkt erreicht hat, nun zunichte gemacht worden“, sagte der Investment Strategic Manager Ryan Detrick vom Vermögensverwalter LPL.
„Es wird immer deutlicher, dass die Notenbank zu spät mit der Wende ihrer Geldpolitik begonnen hat“, schrieb Commerzbank-Volkswirt Christoph Balz. Der Inflationsdruck bleibt breit abgestützt. Das schürt Spekulationen unter Anlegern, dass sich die Zinsschraube nun schneller drehen könnte als bisher angenommen. Wie den speziellen Geldterminkontrakten zu entnehmen ist, rechnet der Markt nun mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 %, dass die Fed die Zinsen bei der Juli-Sitzung um bis zu 0,75 Prozentpunkte anhebt.
Sorgen über die Rezession setzten die Bankaktien unter Druck
Darüber hinaus befürchteten die Anleger, dass die Fed die Inflation nicht eindämmen könne, ohne die Wirtschaft in eine Rezession zu stürzen, fügte Mark Haefele, Chefinvestor bei UBS Asset Management, hinzu. In der Folge verloren auch die Wertpapiere der US-Großbanken Bank of America, Citigroup und JPMorgan zeitweise rund 4 %. Obwohl Banken allgemein als Nutznießer steigender Zinsen angesehen werden, kann eine zu strenge Geldpolitik das Wirtschaftswachstum dämpfen und auch die Kreditnachfrage dämpfen.
Zudem sind Unternehmen, deren Geschäft stark von der Konsumentenstimmung abhängt, unter Druck geraten. Denn das von der University of Michigan ermittelte Verbrauchervertrauen fiel aufgrund der hohen Inflation auf den niedrigsten Stand seit Mitte der 1980er Jahre. Kreditkartenanbieter wie American Express, Mastercard und Visa brachen daraufhin sogar um 4,1 Prozent ein. Reiseunternehmen wie American Airlines, das Kreuzfahrtunternehmen Carnival, die Hotelkette Marriott oder die Buchungsplattform Booking.com verloren bis zu 7,6 %.
Der DAX erlebt den größten Tagesverlust seit mehr als drei Monaten
Eine unerwartet hohe Inflation in den USA ließ auch den deutschen Aktienmarkt weiter fallen. Der DAX schloss mit 13.761 Punkten 3,08 Prozent tiefer – der größte Tagesverlust seit dreieinhalb Monaten. Es war sein vierter Tag im Minus: Das Endergebnis ist ein wöchentlicher Verlust von 4,8 %.
Der deutsche Spitzenindex war bis zum Mittag bereits unter die signifikante Marke von 14.000 Punkten gerutscht und könnte nun zu seinem zuletzt geknackten Abwärtstrend vom Jahresanfang zurückkehren. Die gestern von der Europäischen Zentralbank (EZB) angekündigte Zinserhöhung schürt die Befürchtungen der Anleger vor noch schnelleren geldpolitischen Straffungsmaßnahmen der Zentralbanken, die risikoreicheren Anlageklassen wie Aktien schaden könnten.
Experten warnen zudem vor sinkenden Unternehmensgewinnen, einer weiteren Verschlechterung des Konsumklimas und letztlich einem Abgleiten der Wirtschaft in eine Rezession. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte für Juli eine Leitzinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte angekündigt und eine Reihe weiterer Erhöhungen signalisiert, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen. „Man könnte sich auch vorstellen, noch einen Schritt weiter als 25 Basispunkte zu gehen“, sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel heute auf einer Veranstaltung der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.
Steigende Renditen machen Aktien weniger attraktiv
„Für Anleger ist die schnellere Zinsänderung im Euroraum ein weiteres Argument, die Aktienmarktrisiken neu zu bewerten und vor allem im Vergleich zu steigenden Anleiherenditen“, sagte Jürgen Molnar, General Manager von RoboMarkets. . Steigende Anleiherenditen machen Aktien im Vergleich zu Anleihen weniger attraktiv.
In Südeuropa sind die Renditen zuletzt deutlich stärker gestiegen als die der Bundesanleihen. Experten warnen vor unterschiedlichen Renditeanstiegen in den einzelnen Euroländern und sich verschiebenden Finanzierungsbedingungen – und erinnern an die Eurokrise. „Die EZB muss auf die sogenannte Fragmentierung der Zinsen im Euroraum reagieren“, sagte Tim Oechsner von der Steubing AG. Als nächstes müssen Sie gezielt in Anleihen aus diesen Ländern investieren.
So kletterte die Rendite zehnjähriger italienischer Anleihen zeitweise auf 3.774 Prozent, den höchsten Stand seit Oktober 2018. Der Spread-Aufschlag gegenüber seinen deutschen Pendants erreichte den höchsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Gleichzeitig blieb die zehnjährige Bundesanleihe nahe …